Die Geschichte habe ich – in Variationen so oft gehört:
Pflanze dir mit den 4 Schritten den Partner, den du dir wünscht.
- Formuliere deinen Wunsch: Ich will nicht mehr einsam sein.
- Suche jemanden, der einsam ist. Tipp: In einem Altersheim wirst du immer fündig.
- Besuche diese Person regelmäßig, um deren Einsamkeit für eine Weile zu vertreiben.
- Freue dich darüber.
Ich gebe zu, als ich die Geschichte zum ersten Mal hörte, wollte ich sie nicht glauben. So einfach konnte es doch wirklich nicht sein, das würden dann doch alle machen! Aber ich hörte die Geschichte immer wieder. Steter Tropfen höhlt den Stein und so begann ich im Winter 2017⁄18 jemanden aus meiner Familie, der alleine und sehr abgeschieden lebt, regelmäßig zu besuchen. Mitten in der Scheidung steckend hatte ich noch kein großes Bedürfnis nach einer neuen Beziehung. Da sich meine Lehrer aber über die Zeitspanne vom Pflanzen bis zur Ernte gerne bedeckt halten, fing ich einfach mit meiner Übung an.
Ich freute mich sehr, als mein karmischer Partner sich schon nach wenigen Besuchen mit „Bis in zwei Wochen!“ verabschiedete. Weder hatte ich ihm von meiner karmischen Idee erzählt, noch hatte ich erwähnt, dass ich mir fest vorgenommen hatte, alle zwei Wochen zu Besuch zu kommen. Rejoicen wurde sehr schnell zu einer einfachen Übung, denn auch ich fing bald an, meine Besuche zu genießen und es entwickelte sich unerwartet eine Freundschaft.
Peter Mörtl sagt, dass man sich darauf verlassen könne, dass der gepflanzte Partner eines Tages vor einem stehen würde, ohne dass man ihn suchen müsse. Ich habe seine Geschichte, wie er Marija kennen lernte, in lebhafter Erinnerung. Ich blieb gelassen, wollte ich doch erst meine Scheidung hinter mich bringen, bevor ich mich auf eine neue Beziehung einlasse. Dabei habe ich die Kraft eines gut gepflanzten Samenkorns unterschätzt. Es hält sich offensichtlich nicht an Wunschtermine, sondern keimt dann, wenn es genug Energie dafür bekommen hat.
Irgendwann im Frühling 2018 hat ein Facebook Friend nach ein paar guten Gesprächen via Chat gefragt, ob es möglich sei, dass wir uns persönlich kennen lernen. Wir einigten uns auf ein Treffen im Mai. Ich recherchierte ein paar Ausflugsziele, um meinem Gast einen angenehmen Aufenthalt zu bereiten, fragte nach kulinarischen Vorlieben und fühlte mich auf angenehme Art an meine Zeit als Studentin erinnert: In der Zeit war es eine schöne Gewohnheit gewesen, einander Unterkunft für ein paar Tage anzubieten und die Nächte bei einem Glas Wein und angeregten Gesprächen zu verbringen.
An einem Freitag Nachmittag im Mai holte ich also meinen Gast vom Bahnhof ab. Kaum hatte ich den Bahnsteig betreten, trafen sich unsere Blicke, als wären wir die einzigen zwei Menschen am ganzen Bahnsteig. Die recherchierten Ausflugsziele sollten an diesem Wochenende von uns nicht besucht werden. Wir verstanden uns auf Anhieb, die Gesprächsthemen gingen uns nicht aus, wir haben Raum und Zeit völlig vergessen. Den Zug am Sonntag hat mein Gast gerade noch rechtzeitig erwischt, fast wären wir zu spät los gefahren. Während seiner Rückfahrt haben wir via WhatsApp das nächste Treffen vereinbart. Ich lernte an diesem Wochenende, dass es nicht nur Chronos, den Zeitmesser gibt. Es gibt in der griechischen Mythologie auch Kairos, den Gott für den günstigen Zeitpunkt. Wenn die Zeit für den gesäten Samen passt, keimt er mit beeindruckender Kraft. Verstecken ist zwecklos.
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